letzten 100 Jahren - oberrother

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Dorfcronik
Nähert sich der Besucher dem Dorfe Oberroth, so begrüßt ihn von weitem die Dorfkirche St. Peter und Paul. Auf der mit 517 m höchsten Erhebung der Umgebung erbaut, leuchtet die Kirche an Sonnentagen mit ihrem neuen, hellen Putz und dem lieblichen barocken Zwiebelturm weit in das Land hinein und dominiert die Oberrother Flur, die heute eine Größe von ca. 500 ha aufweist. Wer aber dann vor der Kirche steht und eine bäuerliche Barockkirche erwartet, stellt fest, daß das von weitem sichtbare Barocktürmchen auf eine romanische Apsis aufgesetzt ist; deren erste Fundamente demnach schon vor etwa 1000 Jahren errichtet wurden.
Betritt der Besucher durch den alten Friedhof die in ihrer Außenfassade und in ihrem Inneren renovierte Kirche, so wird er fühlen, daß dieses Gotteshaus nicht nur als Gebäude im Zentrum von Oberroth steht, sondern daß es auch Mittelpunkt einer lebendigen, opferbereiten und gläubigen Dorfgemeinschaft ist. Etwa 1,1 Millionen DM haben die Erneuerungsarbeiten bis jetzt verschlungen. Davon wurden ca.
200.000,00 DM von den Bürgern aufgebracht. Die unzähligen freiwilligen
Arbeitsstunden der Dorfbewohner und der Vereine sind bei diesem Betrag nicht berücksichtigt.
Rund um die Kirche konzentriert sich der bäuerliche Kern des Ortes mit den großen Bauernhöfen, die auch heute noch als Vollerwerbshöfe bewirtschaftet werden. Die großzügigen und weitläufigen Anlagen lassen erkennen, daß es sich um Gehöfte mit Tradition und Vergangenheit handelt, auch wenn die Wohn-und Wirtschaftsgebäude im alten Dachauer Stil modernen Bauten gewichen sind und anstelle der Rösser moderne Landmaschinen das Hofbild bestimmen. Auch heute bestehen in Oberroth noch sieben bäuerliche Vollbetriebe, wie bereits 1760. Fast völlig verschwunden sind die sogenannten "Gütler" mit ihren kleinen Anwesen. Nur einige Häuser entlang der Hauptstraße erinnern noch daran, wie diese einst ausgesehen und das Ortsbild geprägt haben. Ihre Flächen sind den Großbauern durch Pacht oder Kauf zugewachsen und haben zu wirtschaftlichen Hofgrößen geführt. Das gepflegte Äußere der Höfe zeigt deutlich, daß die Oberrother Bauern bei der großen Fruchtbarkeit der Böden ein standesgemäßes Einkommen erzielen.
Vergeblich wird man in der Ortsmitte einen Pfarrhof suchen, wieman ihn in einem Dorf mit 800 jähriger Tradition als Pfarrdorf vermutet. Bis zum, Jahre 1956 bestand ein solcher. Er lag, so wie es dem Ortsbild eines bayerischen Dorfes entsprach, zwischen Kirche und dem damaligen Wirtshaus, dem Anwesen Weißenbeck, das heute noch den Hausnamen "Wirt" trägt.

Unser Pfarrer hat heute seinen Sitz außerhalb des Ortskernes am Kapellenweg. Folgt man dieser Straße und dem Weg über die Fluren bis zum Oberrother Holz, so trifft man dort auf ein Kleinod tiefer Gläubigkeit, auf eine Waldkapelle. Diese wurde nach dem 2. Weltkrieg von dem Oberrother Josef Haas, dem „Salzer Sepp" in Erfüllung eines Gelübdes ohne fremde Hilfe mit eigenen Händen erbaut. Josef Haas hatte dieses Gelübde im Kessel von Stalingrad für eine gesunde Heimkehr in die Heimat abgelegt. Sie wird auch heute noch liebevoll gepflegt, man wird dort zu jeder Jahreszeit frische Blumen vorfinden.

Am Ortseingang - von Schwabhausen kommend - gabelt sich die Straße. Dies ist auch die historische Stelle, an der sich -wie bereits berichtet- die Weinstraße nach Augsburg und die Heerstraße nach Rain am Lech teilten. An diesem geschichtsträchtigen Platz haben Oberrother im Jahre 1922 ein Denkmal zu Ehren der Gefallenen des 1. Weltkrieges errichtet. Man entschied sich damals für den schlichten Entwurf von Herrmann Stockmann. Der Steinmetzmeister Sebastian Aberi aus Altomünster hat es in Stein gehauen.
Das Ortsbild wird ebenfalls durch die Weinstraße bestimmt. Im Laufe der Jahrhunderte entstand entlang diesem Handelsweg ein Straßendorf mit einem bäuerlichen Kern um die Dorfkirche. Erst nach dem 2. Weltkrieg hat sich der Ort seitlich nach Norden und Süden vergrößert.
In der Mitte des Dorfes befindet sich auch das heutige Dorfgasthaus und in seiner Nähe das von der gesamten Dorfgemeinschaft erbaute Schützenheim. Ein prächtig geschmückter Maibaum deutet als Symbol an, daß sich hier der Mittelpunkt des Vereinslebens befindet. Oberroth hat bis heute ein lebhaftes Vereinsleben bewahrt, das auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt des Dorfes einen großen Einfluß hat. Alle Vereine blicken auf eine Tradition zurück, so daß sie ihr Eigenleben auch bewahrt haben, nachdem 1971 Oberroth seine Selbständigkeit als Gemeinde aufgegeben hat und der Großgemeinde Schwabhausen beigetreten ist.
Die Bevölkerungsentwicklung des letzten Jahrhunderts kann man in zwei Abschnitte einteilen. Der erste Abschnitt reicht vom Jahr 1900 bis zum Ende des 2. Weltkrieges, der 2. Abschnitt von 1946 bis heute. In der 1. Hälfte unseres Jahrhunderts nahm die Einwohnerzahl von Oberroth ab. Wurden 1900 noch 285 Bewohner gezählt, so waren es 1919 nur noch 271 Menschen, die in Oberroth lebten. Der Rückgang spiegelt die Auswirkungen des 1. Weltkrieges wieder, in dem 11 Männer aus Oberroth gefallen sind, zeigt aber auch, daß keine Zuzüge in dieser Zeit mehr stattfanden. Bis 1939 - dem Jahre des Beginns des 2. Weltkrieges - lebten nochmals weniger Bürger in Oberroth. Es waren nur noch 234 Einwohner. Ein wesentlicher Grund für den rückläufigen Trend war der Bau der Lokalbahn nach Altomünster, die entgegen der ersten Planung nicht über Oberroth führte. Nach diesem ersten Plan sollte der Zug über Bachern, Schwabhausen, Oberroth, Walkertshofen, Erdweg, Eisenhofen, Kleinberghofen und Deutenhofen den direkten Weg nach Altomünster fahren. Dagegen wandten sich die Indersdorfer, mit aller Entschiedenheit, weil ihr Ort nicht einbezogen wurde. 1899 wird der Einspruch von lndersdorf abgelehnt, ein Schreiben der Lokalbahn-Baugesellschaft an die Gemeinde Oberroth vom 6.12.1900 bestätigt nochmals ausdrücklich, daß Oberroth Haltestelle bleiben sollte. Man bittet darum, bei der Verwirklichung der Bahn keine Schwierigkeiten zu bereiten. Die Veränderung des Streckenverlaufs kam dadurch, daß die beauftragte Firma Sager & Wörner 1902 die Konzession zum Bau wegen finanzieller Schwierigkeiten zurückgeben mußte. Alles bisher investierte Kapital war somit verloren. Die interessierten Gemeinden boten an, die Kosten für eine erneute Projektierung zu übernehmen. Die ehemals beabsichtigte Streckenführung über Oberroth wurde nicht beibehalten. Vermutlich hat die stärkere Wirtschaftskraft des Raumes lersdorf hierfür den Ausschlag gegeben. Die Gemeinden versuchten damal durch Zahlungen immer wieder den Verlauf der Bahn zu ihren Gunsten zu beeinflussen. So ist bekannt, daß Rumeltshausen durch einen Zuschuß von DM 1000.— versuchte den Bahnhof in seine Nähe zu bekommen und somit auch die Namensgebung zu beeinflussen.

Schwabhausen verdoppelte das Angebot und verdreifachte es sogar dafür, daß der Bahnhof näher ans Ortszentrum kam. So wurde auf Regierungsbeschluß der Bahnhof an der heutigen Stelle erbaut.
Wie wichtig die schienenmäßige Anbindung an Dachau und damit an die Landeshauptstadt München für die Orte, die an der Bahnlinie lagen, war, ersieht man aus dem Aufblühen der Wirtschaft und an dem anhaltenden Bevölkerungswachstum an den Orten mit Bahnstationen. So hatten die Entwicklung der Bevölkerungszahl der Orte Puchschlagen und Rumeltshausen einen ähnlichen negativen Verlauf wie Oberroth. Nur die Bahnstationen Schwabhausen und Arnbach weisen eine kräftige Bevölkerungszunahme bis 1939 aus.
Mit dem Ende des 2. Weltkrieges weist Oberroth erstmals wieder einen kräftigen Bevölkerungszuwachs aus. Die Einwohnerzahl betrug 413 Personen. Das entspricht fast einer Verdoppelung gegenüber 1939, als 234 Bürger in unserem Dorf wohnten, obwohl 12 Männer als Soldaten im 2. Weltkrieg gefallen waren. Dieser Menschenzustrom wurde durch Flüchtlinge verursacht, die nach dem Krieg ihre Heimat in Schlesien, Sudetenland und Banat verlassen mußten und hier eine neue Existenzgrundlage suchten. Oberroth mit seinen geräumigen Anwesen war in der Lage, sehr viele Heimatvertriebene aufzunehmen. Viele Familien haben in Oberroth eine neue Heimat gefunden und sind wertvolle Mitglieder und Träger unseres gesellschaftlichen Lebens geworden.
Nach einem leichten Bevölkerungsrückgang bis 1970 (360 Einwohner) begann ein steter Anstieg der Bevölkerung. In den Jahren 1958 - 1964 wurde die Flurbereinigung durchgeführt. Die Neuordnung der landwirtschaftlichen Strukturen bildete nicht nur die Basis für eine lebensfähige Landwirtschaft, sie stellte auch die nötigen Flächen für Neubesiedelungen und öffentliche Einrichtungen bereit, die für eine wachsende Dorfgemeinschaft notwendig wurden. In Etappen wurde die Kanalisation und das Wasserleitungssystem modernisiert und erweitert. Somit waren die Voraussetzungen für die zukünftigen Bebauungspläne geschaffen. Im Jahre 1971 gab Oberroth im Zuge der Gebietsreform seine Selbständigkeit als Gemeinde auf und schloß sich zusammen mit Arnbach und Puchschlagen der Großgemeinde Schwabhausen an.
Die letzte Erhebung vom 1.3.1998 hat für Oberroth eine EinwoJnerzahI von 934 Bürgern ergeben, bei der geplanten Bautätigkeit wird unser Dor bald den 1000. Einwohner begrüßen können.
Die Ortsgröße hat sich durch neue Siedlungsgebiete vergrößert und der
Ortskern hat sich durch Neu- und Umbauten weiter modernisiert.

Dennoch haben sich grundsätzlich gesellschaftliche
Bevölkerungsstrukturen erhalten. Auch heute besitzt Oberroth einen bäuerlichen Kern mit gesunden und gut bewirtschafteten Bauernhöfen. Aus vielen der tradtionsreichen Handwerker-Werkstätten haben sich leistungsfähige Handwerksbetriebe entwickelt. Aus der Dorfschmiede ist eine Bauschlosserei geworden, die Schreinerei erfüllt heute alle Ansprüche, die man im modernen Hausbau fordert. Die Bäckerei hat sich auf die Ansprüche der heutigen Brotkultur mit ihrer Vielzahl der Sorten spezialisiert. Auch einen Sattler hat das Dorf wieder, auch wenn er nicht aus der alten Sattlerwerkstatt hervorgegangen ist. Er stellt alle Artikel, die man im Reitsport benötigt, noch handwerklich her. Aus der Spenglereiwerkstatt, die früher, wenn erforderlich, den Oberrothern auch die „Haferl" geflickt hat, ist heute in der 3. Generation eine Installationsbetrieb mit Bauspenglerei hervorgegangen. Auch haben sich neue Betriebe und Selbständige niedergelassen, so daß viele Dorfbewohner im Ort selbst Beschäftigung finden. Völlig verschwunden sind jedoch die Nebenerwerbslandwirte, die „Gütler" von damals. Sie sind heute in den Betrieben der Umgebung oder in Dachau und München beschäftigt und finden ihr Auskommen durch unselbständige Arbeit.
Die Zuwanderung der letzten Jahre wird wesentlich gespeist von Bürgern, die ihre berufliche Tätigkeit in der Großstadt München ausüben, aber ihr Privatleben im ländlichen Oberroth verbringen wollen. Dies zeigt, daß der Nachteil der fehlenden Schienenanbindung in den Hintergrund getreten ist. Neue und optimierte Busverbindungen, private Pkw's und der Stunden-Takt der S-Bahn lassen den fehlenden Schienenanschluß vergessen. Im übrigen scheint, daß die höhere Lebensqualität eines Dorfes, endlich den Stellenwert gefunden hat, den es längst verdient. Jetzt muß es den alten Dorfbewohnern noch gelingen, die Menschen in die gewachsene Dorfgemeinschaft einzugliedern. Dies ist für die Zukunft Oberroth's ebenso wichtig, wie die Neuerschließung von Baugebieten.

 
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