Handwerker - oberrother

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Dorfcronik
Das Handwerk in Oberroth
Die Bevölkerungsstruktur vieler Orte im Dachauer Hinterland hat bewiesen, daß dort, wo ein gesunder Bauernstand bestand, auch ein starker Handwerkerstand sein Auskommen fand. Zwischen Bauern und Handwerkern herrschte eine gegenseitige Abhängigkeit. Der Handwerker lebte von den Aufträgen der Bauern, die Bauern waren auf ein leistungsfähiges Handwerk angewiesen.
Von den 34 Anwesen in Oberroth waren im Jahre 1760 13 Gütlerhöfe und 14 Kleinhäusler. Nur 7 Vollbauernhöfe standen dem gegenüber. Der hohe Anteil an kleineren Gehöften läßt auf eine sehr hohe Handwerksdichte in Oberroth schließen, da die reicheren Handwerker meist auch „Gütler" waren und der Rest ein Kleinhäusl besaß. Diese Konzentration von Handwerksbetrieben erklärt sich aus der historischen Entwicklung unseres Dorfes. Von 1190 bis heute ist Oberroth ein Pfarrdorf gewesen. Wie aus Untersuchungen von Dr. Gerhard Hanke hervorgeht, waren Pfarrdörfer bevorzugte Siedlungsorte für Handwerker, weil diese als Einzugsgebiet von Filialkirchdörfern und umliegenden Einzelhöfen den Handwerkern gute Verdienstmöglichkeiten boten.
Auf Oberroth als Hofmark wurde bereits eingegangen. Hier sei nochmals darauf hingewiesen, daß den Hofmarkherren das Konzessions- und Zulassungsrecht für Handwerker zustand. Dieser mußte seine Befähigung nachweisen und eine Konzessionsabgabe entrichten, die in vielerlei Hinsicht an die heutige Gewerbesteuer erinnert. Der Befähigungsnachweis war nicht so streng wie bei den Zünften, die zumindest eine vor der Zunft abgelegte Meisterprüfung forderten. In einer Hofmark konnte sich auch ein Geselle, ein Jungmeister oder in einigen Fällen auch ein siedlungswilliger Dienstbote, der sich handwerkliche Fertigkeiten angeeignet hatte, niederlassen. Meist erhielten diese Hofmarkhandwerker das Besitzrecht an einem „Häusl", das mit Wohn- und Handwerksräumen sowie mit einer Stallung ausgestattet war. Sie konnten damit eine Familienexistenz gründen, die sich auf ein Einkommen aus handwerklicher Tätigkeit und Landwirtschaft stützte. Zusätzlich war die verkehrsgünstige Lage von Oberroth zwischen zwei belebten Straßen für die Ansiedlung von Handwerkern förderlich.
Im bäuerlichen Umfeld haben sich drei klassische Landhandwerkle einen festen Platz in jedem größeren Dorf gesichert: der Schmied, der Wagner, und der Sattler. Diese Handwerker waren so wichtig, weil sie sich mit dem Roß und dem Rind als Zugtier, dem Wagen als Arbeitsmittel des Bauern und der Kutsche als Verkehrsmittel befaßten. In den Jahren

1912/14 waren in Oberroth drei Wagner/Schmiede und ein Sattler ansässig. Wagner und Schmiede können dabei nicht getrennt erfaßt werden, da sie zu dieser Zeit in einer Zunft zusammengehörten.
Das angesehenste und gleichzeitig das älteste Handwerk ist das Schmiedehandwerk, das bereits seit dem 7. Jahrhundert belegt ist. Schon damals übte der Schmiedemeister sein Handwerk selbständig aus, unabhängig vom Herrschaftsbereich des Adels und der Klöster. Das wesentliche Arbeitsgebiet des Dorfschmiedes war der Hufbeschlag. Dabei stützte sich der Schmied auf seine Kenntnisse über die Härtung und Bearbeitung von Eisen. Dieses Wissen besaßen die Schmiede bereits seit dem Mittelalter und galten deshalb als Inhaber einer Kunst. Nur auf dieser Grundlage konnte bereits im 9. Jahrhundert das Hufeisen entwickelt werden, weil sich die Schmiede inzwischen auch ausreichende anatomische Kenntnisse des Pferdehufes angeeignet hatten.

Die Erfindung des Hufeisens war für die Geschichte des Verkehrswesens und der Bauernarbeit ebenso revolutionär wie einst die Erfindüng des Rades, weil jetzt das Pferd auch auf den befestigten Verkehrswegen für Transporte eingesetzt werden konnte, ohne daß es sich an den Hufen verletzte.
Ein zweites wichtiges Arbeitsgebiet des Dorfschmiedes war der Wagen-und Kutschenbau, bei dem er mit dem Wagner und Sattler zusammenarbeitete. Er war für alle Tätigkeiten zuständig, die die Bearbeitung von Eisen erforderten. Vor allem hatte er alle Beschläge und die Reifen für die Räder zu liefern. Zusätzlich war er auch für die Herstellung von Zimmereräxten, Beilen, Sensen, Sicheln, Pflugscharen und sonstigem groben Eisenzeug zuständig. Wie in Oberroth übernahm er vielerorts auch die Aufgabengebiete eines Schlossers und berufsfremde Reparaturen. Mit der Mechanisierung der Landwirtschaft rückte die Reparatur von Landmaschinen immer mehr in den Mittelpunkt der täglichen Arbeit. Zur traditionellen Schmiedetätigkeit kamen noch autogenes Schweißen, Löten, Bohren.
Auf eine ähnliche lange Tradition blickt auch das Wagnerhandwerk zurück. Die Fertigung von Speichenrädern mit Naben aus Hartholz und exakten Bohrungen ist schon seit dem frühen Mittelalter durch Funde belegt. Dabei ist besonders interessant, daß die ersten Wagnermeister stabile Wagenräder ohne Verwendung von Eisen fertigen konnten. Die Nieten waren aus Hartholz und so exakt eingepaßt, daß sie den hohen Belastungen durch den Radbetrieb standhielten.
Bei der Herstellung von Wagen oder Kutschen fertigte der Wagner die Räder und den Kasten, Der Schmied hatte für die Beschläge zu sorgen. Die Modernisierung der Geräte in der Landwirtschaft brachte dem Wagnerhandwerk einen großen Aufschwung. Gegen die vordringenden Fabrikerzeugnisse konnte sich der Wagner durchsetzen, da er vor Ort war, besser auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden eingehen konnte und bei Schaden schnell zur Stelle war. Reparaturen beschäftigten den Wagnermeister stets mehr als Neuanfertigungen. Der rege Verkehr auf der Weinstraße dürften dem Wagner in Oberroth eine gute Beschäftigung gesichert haben.

Eine alte Tradition wie die Schmiede und Wagner hat das Sattlerhandwerk nicht aufzuweisen, da bis in das hohe Mittelalter hinein die Lederverarbeitung eine ausschließlich hauswirtschaftliche Eigenproduktion gewesen ist. Erst mit der Neuentwicklung des Kummets für die Pferde entstand das Spezialhandwerk des Sattlers, das für die nächsten Jahrhunderte für die Dorfgemeinschaft unentbehrlich wurde. Das Kummet steigerte die Zugleistung der Pferde um 400 - 500 %‚ weil dabei die Energie, die aus der Schreitbewegung der Pferde gewonnen wird, voll auf die Last übertragen wurde. Vorher wurde die Leistung der Pferde stark eingeschränkt, weil die als Joch ausgebildeten Geschirre beim Zug auf die Luftröhre der Tiere drückten. Nun konnte man auch mehrere Pferde zusammenspannen und damit ihre Leistung auf eine Last vereinigen.
Neben der Fertigung und Reparatur der Kummets und Pferdeeschirr übernahm der Sattler viele Tätigkeiten des täglichen Lebens unseres Dorfes. Er lieferte den Einwohnern alle Art von Riemen und alles, was

zum Zaumzeug der Pferde und Rinder gehörte. Mit Einzug der Mechanisierung kamen von ihm sämtliche Transmissionsriemen. Nicht zuletzt polsterte er den Großbauern ihre „Chaisen" und versah sie mit zu öffnenden Lederdächern. Der Sattler unseres Dorfes ging auf „d'Stehr" (Stör), d.h., er zog mit seinem Werkzeug von Hof zu Hofe und erledigte vor Ort die Arbeit. Dieses Verhalten der meisten ländlichen Sattlermeister galt als Verstoß gegen die Zunftordnung. Störhandwerker waren Meister, die die Zunftordnung „störten" und galten in den Augen der bürgerlichen Zünfte als „Pfuscher", die den Zunfthandwerkern ins „Handwerk pfuschten"

Die wachsende Dorfgemeinschaft Oberroth zog natürlich auch Versorgungshandwerker an, die die täglichen Bedürfnisse unseres Dorfes deckten. So gab es 1912/14 in Oberroth einen Bäcker, drei Leinweber, zwei Schneider und einen Schuhmacher.
Das Bäckerhandwerk entstand mit der Gründung der Städte und
größeren Ansiedlungen. Die Bewohner waren darauf angewien, durch den Bäcker mit dem Hauptnahrungsmittel Brot versorgt zu werden. Der bäuerliche und ländliche Haushalt dagegen war Selbstversorger. Dies hielt teilweise bis in das 20.Jahrhundert an. Die „Backhäusl", die man manchmal noch in alten Bauernhöfen sieht, erinnern daran. Deshalb betrieben dann die Landbäcker noch andere Geschäfte, um die Existenz zu sichern. Der Oberrother „Bäck" ist seit der 4. Generation in Familienbesitz und feiert in diesem Jahr sein hundertjähriges Jubiläum. Der Bäckerei war eine Kolonialwarenhandlung angeschlossen. Außerdem betrieb man einen Kohlen-, Getreide-, Mehl- und Spezereihandel. Ab dem 1. Weltkrieg stand dem Kunden auch eine Zapfsäule zum Tanken zur Verfügung.

Heute gibt es in Oberroth keinen Schuhmacher mehr, das Handwerk der Leinweber ist ausgestorben. Dafür hat sich um die Jahrhundertwende ein Schreiner und Spengler in Oberroth niedergelassen. Die Betriebe haben heute noch ihre Existenz und werden in 3. Und 4. Generation weitergeführt.
 
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